Internationales Recht

EG-Verordnung Rom I

Bei Rom I und II handelt es sich um EG-Verordnungen die gem. Art 288 Abs. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union für ihre Wirksamkeit keiner Umsetzung in nationales Recht bedürfen, sondern unmittelbar Anwendung finden. Sie betreffen ausschließlich länderübergreifende Sachverhalte (Art. 1 Abs. 1 Rom I und II) und enthalten ausschließlich Kollisionsnormen, die dann auf die jeweils anzuwendenden Sachnormen des jeweiligen Staates verweisen.

I. Rom I

1. Einleitung

Die EG-Verordnung Nr. 593/2008 des Europäischen Rates vom 17.6.2008 (kurz: Rom I) regelt das Internationale Privatrecht der Europäischen Union im Bereich vertraglicher Schuldverhältnisse. Sie trat am 17.12.2009 in allen EG-Mitgliedstaaten ausgenommen Dänemark in Kraft und löste dort das EVÜ (in Deutschland ehemals umgesetzt durch die nun aufgehobenen Art 27 – 37 EGBGB) ab. Die Rom I – Verordnung gilt darüber hinaus auch für Großbritannien, Irland und Nordirland.

2. Anwendungsbereich

Die Bestimmungen der Verordnung sind dem nationalem Recht der EU-Mitgliedstaaten (ausgenommen Dänemark) vorrangig und trägt besonders dem Grundprinzip der Rechtswahlfreiheit in Europa Rechnung.

In sachlicher Hinsicht gilt die Verordnung in Anlehnung an Art. 1 EuGVVO nur für Zivil- und Handelssachen (Art. 1 Abs. 1). Sie gilt insbesondere nicht für Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten. Weitere Ausnahmen sind in Abs. 2 aufgezählt (z.B. Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen sowie Schuldverhältnisse aus ehelichen Güterständen).

In zeitlicher Hinsicht gilt die Verordnung für alle Verträge, die nach dem 16.12.2009 geschlossen wurden. Für Altverträge gelten die aufgehobenen Art. 27 ff. EGBGB fort.

3. Grundsatz

Soweit sich die Parteien für etwaige vertragliche Ansprüche nicht auf die Wahl des Rechts eines Staates geeinigt haben, bestimmt sich das anzuwendende Recht nach Art. 4 Abs. 1. Dort werden verschiedene Vertragstypen geregelt (z.B. Kaufvertrag über bewegliche Sachen = Recht des Staates, in dem der Verkäufer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; Miete einer unbeweglichen Sache = Recht des Staates, in dem die Sache belegen ist). Nur dann, wenn ein Vertrag dieser Aufzählung nicht zugeordnet werden kann, ist das Recht jenes Staates anzuwenden, in dem die Partei, die die vertragliche Leistung zu erbringen hat, ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort hat (Art. 4 Abs. 2). Nach den sog. Ausweichklauseln des Abs. 3 des Art. 4 ist entgegen der Abs. 1 und 2 das Recht des Landes anzuwenden, zu dem der Vertrag nach der Gesamtheit der Umstände eine offensichtlich engere Beziehung aufweist. Diese Nähe des Vertrages zu einem Staat ist gem. Art. 4 Abs. 4 auch das entscheidende Zuordnungskriterium, wenn Zuordnung nach den Abs. 1 und 2 nicht möglich ist.

4. Besondere Vertragsformen

Einige Vertragsformen sind in der Rom I – Verordnung in den Art. 5 - 8 besonders aufgeführt.

Bei Beförderungsverträgen (Art. 5) ist zunächst zu unterscheiden, ob es sich um die Beförderung von Gütern oder Personen handelt. Gem. Abs. 1 ist bei der Beförderung von Gütern das Recht des Staates anzuwenden, in welchem der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern sich in diesem Staat auch der Übernahme- oder Ablieferungsort oder der gewöhnlichen Aufenthalt des Absenders befindet. Falls eine Zuordnung so nicht möglich ist, ist das Recht des Staates des vereinbarten Ablieferungsortes anzuwenden.

Im Rahmen der Beförderung von Personen ist nach Abs. 2 das Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts der zu befördernden Person anzuwenden, sofern sich dort auch der Abgangs- oder Bestimmungsort befindet. Ist eine Bestimmung danach nicht möglich, ist das Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Beförderers maßgeblich.

Allgemein gilt: Gem. Art. 19 bestimmt sich der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts für Gesellschaften, Vereine und juristische Personen nach dem Ort ihrer Hauptverwaltung. Handelt eine natürliche Person im Rahmen ihrer Berufsausübung, ist ihr gewöhnlicher Aufenthaltsort der Ort ihrer Hauptniederlassung.

In Abs. 3 befindet sich eine Ausweichklausel.

Für Versicherungsverträge gilt bei fehlender Rechtswahl das Recht des Staates, in dem der Versicherer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 7 Abs. 2 S. 2). In S. 3 befindet sich eine Ausweichklausel.

Der Arbeitsvertrag unterliegt gem. Art. 8 Abs. 2 dem Recht des Staates, in dem oder von dem aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Ein vorübergehender Standortwechsel der Erbringung der Arbeitsleistung hat hierauf keine Auswirkung. Ist eine Zuordnung so nicht möglich, unterliegt der Vertrag dem Recht des Landes der Niederlassung des Arbeitgebers, die den Arbeitnehmer eingestellt hat (Abs. 3). In Abs. 4 befindet sich eine Ausweichklausel.

Handelt es sich um Verbraucherverträge (d.h. Verträge zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer) gilt nach Art. 6 Abs. 1 das Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, falls der Unternehmer in diesem Staat seine berufliche Tätigkeit ausübt oder sich seine berufliche Tätigkeit zumindest auch auf diesen Staat ausrichtet. Fehlt es an diesen Voraussetzungen, so kommt gem. Abs. 3 die allgemeine Regelung des Art. 4 zur Anwendung. Nach Art. 6 Abs. 4 gilt die Regelung des Art. 6 Abs. 1 bei bestimmten Verträgen nicht (vgl. dortige Aufzählung).

4. Erklärung der Rechtswahl

Welchem Recht ein Vertragsverhältnis unterliegt, ist von den Parteien gem. Art. 3 Abs. 1 grundsätzlich frei wählbar. Dabei kann die Rechtswahl ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen. In letzterem Fall muss sich die Rechtswahl dann aber eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrages oder den Umständen des Falles ergeben. Zudem ist stets ein realer und nicht nur hypothetischer Parteiwille notwendig. Folgende Elemente können als Indizien für eine stillschweigend getroffene Rechtswahl herangezogen werden:

a) Gerichtsstandsvereinbarungen

b) Bezugnahme auf Rechtsnormen

c) Enge wirtschaftliche und rechtliche Verbundenheit zweier Geschäfte

d) Eher schwache Indizien: Wohn- und Geschäftssitz, Staatsangehörigkeit, Währung, Sprache und Ort des Vertragsschlusses

5. Wirksamkeit der Rechtswahl

Die Wirksamkeit einer Rechtswahlklausel ist nach Art. 3 Abs. 5 i. V. m. Art. 10 Abs. 1 nach dem Recht zu beurteilen, das im Falle ihrer Wirksamkeit gewählt worden wäre. Bzgl. der Wirksamkeit sind insbesondere zu beachten: Anfechtung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung sowie Einbeziehungskontrolle bei einer Rechtswahl in den AGB.

Eine Teilrechtswahl ist gem. Art 3 Abs. 1 S. 3 zulässig.

6. Form der Rechtswahl

Die Formgültigkeit der Rechtswahlvereinbarung ist von der Art des Hauptvertrages unabhängig. Das gewählte Recht kann hingegen zur Formnichtigkeit des Hauptvertrages führen.

7. Besondere Konstellationen und Ausnahmen

a) Bei unterschiedlichen Rechtswahlklauseln beider Parteien in den AGB (kollidierende AGB) fehlt es bereits am äußeren Tatbestand einer scheinbaren Rechtswahl. Dann bleibt es bei der allgemeinen Regelung des Art 4.

b) Gem. Art. 10 Abs. 2 darf eine Partei auf das Recht ihres gewöhnlichen Aufenthalts insoweit vertrauen, als es um die rechtliche Bedeutung des Schweigens (z.B. kaufmännisches Bestätigungsschreiben) geht.

c) Die Rechtswahl bei Beförderungs- und bei Versicherungsverträgen ist beschränkt (vgl. die Aufzählungen in Art 5 Abs. 2 S. 3, Art. 7 Abs. 1 S. 3).

d) Im Rahmen von Individualarbeitsverträgen darf die Rechtswahl nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch das Recht des Staates zugesprochen wird, das ohne Rechtswahl gelten würde (Art. 8 Abs. 1 S. 2).

e) Gleiches gilt für Verbraucherverträge (Art. 6 Abs. 2 S. 2). Diese Regelung gilt bei bestimmten Vertragsformen nicht (vgl. Aufzählung in Art. 6 Abs. 4).

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