Internationales Recht

EG-Verordnung Rom II

Bei Rom I und II handelt es sich um EG-Verordnungen die gem. Art 288 Abs. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union für ihre Wirksamkeit keiner Umsetzung in nationales Recht bedürfen, sondern unmittelbar Anwendung finden. Sie betreffen ausschließlich länderübergreifende Sachverhalte (Art. 1 Abs. 1 Rom I und II) und enthalten ausschließlich Kollisionsnormen, die dann auf die jeweils anzuwendenden Sachnormen des jeweiligen Staates verweisen.

II. Rom II

1. Einleitung

Die EG-Verordnung Nr. 864/2007 des Europäischen Rates vom 11.7.2007 (kurz: Rom II) regelt das Internationale Privatrecht der Europäischen Gemeinschaft im Bereich außervertraglicher Schuldverhältnisse. Sie trat am 11.1.2009 in Kraft und gilt für alle EG-Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Dänemark (vgl. Art. 1 Abs. 4).

2. Anwendungsbereich

Die Verordnung genießt Vorrang vor nationalem Recht der EG-Mitgliedstaaten (ausgenommen Dänemark). Sie wird jedoch gem. Art. 3 von allen Mitgliedstaaten im Verhältnis zu Dänemark angewandt. Nach Art. 25 Abs. 2 gilt Rom II nicht innerhalb territorial gespaltener Mehrrechtsstaaten (Großbritannien, Nordirland, Spanien).

In sachlicher Hinsicht gilt die Verordnung nur für Zivil- und Handelssachen. Sie gilt nicht für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten, also auch nicht für die Amtshaftung. Umfasst werden somit die Bereiche: Deliktsrecht, GoA, Bereicherungsrecht und cic.

Ausgenommen sind nach Art. 1 Abs. 2:

a) Außervertragliche Ansprüche aus Wechsel, Scheck oder Eigenwechsel

b) Außervertragliche Schuldverhältnisse aus Gesellschaftsrecht, Vereinsrecht und dem Recht der juristischen Person

c) Außervertragliche Schuldverhältnisse zwischen den an einem Trust beteiligten Personen

d) Ansprüche aus Schäden durch Kernenergie

e) Ansprüche aus Verletzung der Privatsphäre, des Persönlichkeitsrechts oder Verleumdung

In zeitlicher Hinsicht gilt die Verordnung für alle Fälle, bei denen das schadensbegründende Ereignis nach dem 10.1.2009 eingetreten ist (vgl. Art. 31).

3. Freie Rechtswahl (Art.14)

Nach Art. 14 ist für die Parteien frei wählbar, welchem Recht das außergesetzliche Schuldverhältnis unterliegen soll. Die nachträgliche Rechtswahl ist nach Abs. 1 lit. a ohne Einschränkung möglich, die vorherige nach lit. b nur dann, wenn die Parteien einer kommerziellen Tätigkeit nachgehen.

Darüber hinaus muss die Rechtswahl gem. Art 14 Abs. 1 S. 2 ausdrücklich feststehen oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Umständen des Falles ergeben. Sie lässt die Rechte Dritter unberührt. Eine Festlegung der Rechtswahl in den AGB ist im Gegensatz zu der Rom I – Verordnung bzgl. außervertraglicher Schuldverhältnisse unzulässig.

Sind zum Zeitpunkt des Schadenseintritts alle Elemente des Sachverhalts in einem anderen als dem vereinbarten Staat belegen, so kann durch die Rechtswahl der Parteien die Anwendung derjenigen Bestimmungen des Rechts dieses anderen Staates nicht ausgeschlossen werden, die durch Vereinbarung nicht umgangen werden dürfen(Abs. 2).

Eine Teilrechtswahl ist unzulässig (str.).

4. Allgemeine Regelungen

a) Gesetzlicher Forderungsübergang (Art. 19)
Geht eine Forderung gesetzlich aus einem außervertraglichen Schuldverhältnis über, so gilt das Recht des Staates, dessen Recht den Forderungsübergang bestimmt hat.

b) Mehrfache Haftung (Art. 20)
Der Schadensersatzanspruch eines Schädigers gegen einen anderen Mitschädiger (vgl. § 426 Abs. 1 BGB) richtet sich nach dem Recht des Staates, nach dessen Recht sich auch der deliktische Anspruch richtet. Besteht der Rückgriffsanspruch jedoch aufgrund eines gesetzlichen Forderungsüberganges (vgl. § 426 Abs. 2 BGB) so findet Art. 19 Anwendung.

c) Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung (Art. 24)
Die Verweisung auf das Kollisionsrecht eines Staates („renvoi“) ist ausgeschlossen.

d) Verhältnis zu anderen Gemeinschaftsrechtsakten (Art. 27)
Andere Vorschriften des Gemeinschaftsrechts bleiben von der Verordnung unberührt.

e) Verhältnis zu bestehenden internationalen Abkommen (Art. 28)
Bereits bestehende Staatsverträge von Mitgliedsstaaten (Liste nach Art 29 einsehbar) bleiben gem. Art. 28 Abs. 1 bestehen. Dies gilt nicht für Abkommen zwischen einzelnen Mitgliedstaaten (Abs. 2).

f) Sicherheits- und Verhaltensregeln (Art. 17)
Bei der Beurteilung des Verhaltens des Schädigers sind die Sicherheits- und Verhaltensregeln des Ortes und des Zeitpunktes des haftungsbegründenden Ereignisses zu beachten. Diese sind im Rahmen eines möglichen Mitverschuldens analog auch auf das Verhalten des Geschädigten anzuwenden.

5. Deliktsrecht

a) Maßgeblicher Erfolgsort (Art. 4 Abs. 1)
Nach Art. 4 Abs. 1 wird grundsätzlich an den Erfolgsort, d.h. den Ort des Schadenseintritts angeknüpft. Dabei ist aber nur der Erfolgsort des unmittelbaren Schadens maßgeblich (Art. 4 Abs.1 letzter Halbsatz schließt den Eintrittsort des indirekten Schadenseinschlags als maßgeblichen Erfolgsort explizit aus).

Traditionell wurde im Kollisionsrecht fast aller Mitgliedstaaten an den Tatort der unerlaubten Handlung angeknüpft. Als solcher Tatort gilt aber bspw. nach deutschem Kollisionsrecht gem. Art. 40 Abs. 1 EGBGB sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort . Dem Verletzten steht insofern ein Wahlrecht zu. Diesem Ubiquitätsprinzip wird nach der Verordnung nicht mehr gefolgt.

Entstehen durch eine Handlung unmittelbare Schäden in verschiedenen Ländern (Streudelikt bzw. Multi-State-Delikt) ist umstritten welches Recht anwendbar ist. Die herrschende Meinung folgt der sog. Mosaiktheorie, nach der jeder Erfolgsort das anwendbare Recht für die Schäden bestimmt, die in diesem Staat entstanden sind. Nach anderer Ansicht ist ein Schwerpunkt zu bilden, an dem sich die Schäden konzentrieren.

b) Gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthaltsort (Art. 4 Abs. 2)
Haben Schädiger und Geschädigter zum Zeitpunkt des Schadenseintritts ihren „gewöhnlichen Aufenthaltsort“ in demselben Staat, so findet das Recht dieses Staates Anwendung. Diese Regelung aus Art. 4 Abs. 2 geht der aus Abs. 1 vor.

Bzgl. des Orts des gewöhnlichen Aufenthalts gilt das zu Rom I Gesagte (vgl. Art 23).

c) Ausweichklausel (Art. 4 Abs. 3)
Nach Art. 4 Abs. 3 ist entgegen Abs. 1 und 2 das Recht des Landes anzuwenden, zu dem die unerlaubte Handlung eine offensichtlich engere Beziehung aufweist. Dies kommt besonders bei bereits bestehenden Rechtsverhältnissen (Vertragsverhältnis, Delikte bei Verlobten) in Betracht. Die unzulässige vorherige vertragliche Rechtswahl (Art. 14 lit. a) sowie die unzulässige Rechtswahl in den AGB (Art. 14 lit. b) können hier taugliche Grundlage einer akzessorischen Anknüpfung sein.

d) Umweltschäden (Art. 7)
Bei Umweltschädigungen besteht entgegen Art. 4 Abs. 1 ein Wahlrecht des Geschädigten zwischen Handlungs- und Erfolgsort.

e) Produkthaftung (Art. 5)
Im Rahmen der Produkthaftung gilt nach der Verordnung eine besondere Anknüpfung in folgendem Stufenverhältnis (Kaskadenprüfung):

1) Der gewöhnliche Aufenthalt des Geschädigten, sofern das Produkt in diesem Staat in Verkehr gebracht wurde

2) Der Erwerbsort des Produktes, sofern das Produkt in diesem Staat in Verkehr gebracht wurde

3) Der Ort des Primärschadens, sofern das Produkt in diesem Staat in Verkehr gebracht wurde

Art 5 Abs. 1 S. 2 enthält eine Einschränkung für den Fall, dass der Vertrieb des Produktes vom Hersteller nicht vorhersehbar war. In diesem Fall gilt das Recht des Landes des Herstellersitzes.

f) Geistiges Eigentum (Art. 8)
Im Rahmen der Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums ist das Recht des Staates anzuwenden, dessen Schutz geltend gemacht wird. Von den Regelungen des Art. 8 darf nicht durch Rechtswahl abgewichen werden (Abs. 3).

6. Bereicherungsrecht (Art. 10)

Nach Art. 10 wird bei den Fällen der ungerechtfertigten Bereicherung zwischen zwei Fällen unterschieden:

a) Besteht ein Rechtsverhältnis an das der Bereicherungsanspruch anknüpft (Fälle der Leistungskondition), so gilt das Recht des Staates dieses Rechtsverhältnisses (vgl. Abs. 1).

b) Besteht ein solches Rechtsverhältnis nicht (Fälle der Eingriffs- oder Nichtleistungskondiktion), so gilt das Recht des Staates des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes (vgl. Abs. 2), hilfsweise der Ort des Bereicherungseintritts (Abs. 3).

7. Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 11)

Hier gilt für die Frage des anzuwendenden Rechts das zum Bereicherungsrecht Gesagte. Der Abs. 4 enthält eine Ausweichklausel, wonach entgegen Abs. 1 und 2 das Recht des Staates anzuwenden ist, zu dem das außervertragliche Schuldverhältnis aus der Geschäftsführung ohne Auftrag eine offensichtlich engere Beziehung aufweist.

8. CIC (Art. 12)

Die Fälle der cic werden nach dem Recht beurteilt, das auf den Vertrag anzuwenden ist bzw. anzuwenden gewesen wäre. Sollte das Recht danach nicht bestimmbar sein, enthält Abs. 2 eine Ausweichklausel.

9. Wettbewerbsrecht (Art. 6)

In Fällen des unlauteren Wettbewerbs ist das Recht des Staates anzuwenden, an dem Wettbewerbsbeziehungen oder Verbraucherinteressen beeinträchtigt werden (Abs. 1). Wird durch das unlautere Wettbewerbsverhalten nur ein Wettbewerber in seinen Interessen beeinträchtigt, bleibt es bei der Anwendung von Art. 4 (Abs. 2). Von den Regelungen des Art. 6 darf auch nicht durch Rechtswahl abgewichen werden (Abs. 4).

10. Ausnahme

Nach Art. 26 („oder public“) kann die Anwendung des nach dieser Verordnung anzuwendenden Rechts nur versagt werden, wenn dies mit der öffentlichen Ordnung des Staates des angerufenen Gerichts offensichtlich unvereinbar wäre. Zur Ausgestaltung des Kriteriums: „mit der öffentlichen Ordnung unvermeidbar“, kann auf Art. 40 Abs. 3 EGBGB abgestellt werden, der auch weiter im Speziellen gilt. Danach betrifft dies konkret folgende Fälle:

a) Unverhältnismäßiger Schadensersatz

b) Ansprüche, die offensichtlich nicht der angemessenen Entschädigung dienen („punitative demages“)

c) Eigenmächtige Ausdehnung völkerrechtlicher Abkommen

Ebenso wie bei vertraglichen Schuldverhältnissen wird die Anwendung sog. Eingriffsnormen des Staates des angerufenen Gerichts von der Verordnung nicht berührt (Art. 16).

III. Abgrenzung zum UN - Kaufrechtsübereinkommen

Bei dem UN – Kaufrechtsübereinkommen handelt es sich um Regeln des UN – Kaufrechts, die von 76 Staaten ratifiziert wurden. Im Unterschied zum Internationalen Privatrecht oder den Rom I und II – Verordnungen, die ausschließlich Kollisionsnormen beinhalten, enthält es konkrete Regeln zum Abschluss von Kaufverträgen und den daraus resultierenden Rechten und Pflichten des Verkäufers und Käufers.

Das UN – Kaufrecht kommt zur Anwendung, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

1. Es liegt ein Kaufvertrag über bewegliche Sachen vor.

2. Die Vertragsparteien haben ihre Niederlassung bzw. ihren Wohnsitz in verschiedenen Staaten und diese Staaten haben das UN – Kaufrechtsübereinkommen unterzeichnet.

oder

3. Das Internationale Privatrecht (die Rom I – Verordnung oder das EGBGB) verweist auf das Recht eines Staates, der das UN – Kaufrechtsübereinkommen ratifiziert hat.

Das UN – Kaufrecht verdrängt dann das materielle Kaufrecht des jeweiligen Staates.

Ferner kommt das UN –Kaufrecht dann zur Anwendung, wenn die Vertragsparteien durch Rechtswahl das Recht eines Staates gewählt haben, der das UN – Kaurechtsübereinkommen unterzeichnet hat. Soll ausschließlich das nationale Kaufrecht eines Landes gelten, so muss in der Rechtswahlvereinbarung das UN – Kaufrecht ausdrücklich ausgeschlossen werden.

Vom Anwendungsbereich des UN – Kaufrecht ausgenommen sind:

1. Der Kauf von Waren zum ausschließlich persönlichen Gebrauch, falls der Verkäufer wusste oder wissen musste, dass es sich um einen Privatkauf handelte.

2. Der Kauf von Wertpapieren oder Zahlungsmitteln

3. Private oder gerichtliche Versteigerungen

4. Der Verkauf von Insolvenzgegenständen

5. Der Kauf von Seeschiffen, Binnenschiffen, Luftkissenfahrzeugen und Luftfahrzeugen

6. Der Kauf von elektrischer Energie

7. Tauschverträge

8. Werkverträge, wenn der Besteller einen zumindest wesentlichen Teil der für die Werkherstellung benötigten Materialien selbst zur Verfügung stellt.

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