5. Deliktsrecht
a) Maßgeblicher Erfolgsort (Art. 4 Abs. 1)
Nach Art. 4 Abs. 1 wird grundsätzlich an den Erfolgsort, d.h. den Ort des Schadenseintritts angeknüpft. Dabei ist aber nur der Erfolgsort des unmittelbaren Schadens maßgeblich (Art. 4 Abs.1 letzter Halbsatz schließt den Eintrittsort des indirekten Schadenseinschlags als maßgeblichen Erfolgsort explizit aus).
Traditionell wurde im Kollisionsrecht fast aller Mitgliedstaaten an den Tatort der unerlaubten Handlung angeknüpft. Als solcher Tatort gilt aber bspw. nach deutschem Kollisionsrecht gem. Art. 40 Abs. 1 EGBGB sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort . Dem Verletzten steht insofern ein Wahlrecht zu. Diesem Ubiquitätsprinzip wird nach der Verordnung nicht mehr gefolgt.
Entstehen durch eine Handlung unmittelbare Schäden in verschiedenen Ländern (Streudelikt bzw. Multi-State-Delikt) ist umstritten welches Recht anwendbar ist. Die herrschende Meinung folgt der sog. Mosaiktheorie, nach der jeder Erfolgsort das anwendbare Recht für die Schäden bestimmt, die in diesem Staat entstanden sind. Nach anderer Ansicht ist ein Schwerpunkt zu bilden, an dem sich die Schäden konzentrieren.
b) Gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthaltsort (Art. 4 Abs. 2)
Haben Schädiger und Geschädigter zum Zeitpunkt des Schadenseintritts ihren „gewöhnlichen Aufenthaltsort“ in demselben Staat, so findet das Recht dieses Staates Anwendung. Diese Regelung aus Art. 4 Abs. 2 geht der aus Abs. 1 vor.
Bzgl. des Orts des gewöhnlichen Aufenthalts gilt das zu Rom I Gesagte (vgl. Art 23).
c) Ausweichklausel (Art. 4 Abs. 3)
Nach Art. 4 Abs. 3 ist entgegen Abs. 1 und 2 das Recht des Landes anzuwenden, zu dem die unerlaubte Handlung eine offensichtlich engere Beziehung aufweist. Dies kommt besonders bei bereits bestehenden Rechtsverhältnissen (Vertragsverhältnis, Delikte bei Verlobten) in Betracht. Die unzulässige vorherige vertragliche Rechtswahl (Art. 14 lit. a) sowie die unzulässige Rechtswahl in den AGB (Art. 14 lit. b) können hier taugliche Grundlage einer akzessorischen Anknüpfung sein.
d) Umweltschäden (Art. 7)
Bei Umweltschädigungen besteht entgegen Art. 4 Abs. 1 ein Wahlrecht des Geschädigten zwischen Handlungs- und Erfolgsort.
e) Produkthaftung (Art. 5)
Im Rahmen der Produkthaftung gilt nach der Verordnung eine besondere Anknüpfung in folgendem Stufenverhältnis (Kaskadenprüfung):
1) Der gewöhnliche Aufenthalt des Geschädigten, sofern das Produkt in diesem Staat in Verkehr gebracht wurde
2) Der Erwerbsort des Produktes, sofern das Produkt in diesem Staat in Verkehr gebracht wurde
3) Der Ort des Primärschadens, sofern das Produkt in diesem Staat in Verkehr gebracht wurde
Art 5 Abs. 1 S. 2 enthält eine Einschränkung für den Fall, dass der Vertrieb des Produktes vom Hersteller nicht vorhersehbar war. In diesem Fall gilt das Recht des Landes des Herstellersitzes.
f) Geistiges Eigentum (Art. 8)
Im Rahmen der Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums ist das Recht des Staates anzuwenden, dessen Schutz geltend gemacht wird. Von den Regelungen des Art. 8 darf nicht durch Rechtswahl abgewichen werden (Abs. 3).